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24.12.2023 | (rsn) - Wenig Budget, viel Ehrenamt: Die Kontinental-Teams haben seit jeher einen schweren Stand im Peloton und die meisten kämpfen fast jährlich ums Überleben. Ihr Standing wurde durch den aufkommenden Trend der direkt an die WorldTour-Mannschaften angedockten Development-Teams noch weiter verschlechtert. "Mittlerweile haben fast alle WorldTeams ein U23-Team und das macht es für die unabhängigen U23-Mannschaften richtig schwer, in dem Haifischbecken zu überleben", sagte etwa Ralph Denk, Teamchef von Bora - hansgrohe, zu radsport-news.com.
Doch das ist nicht die einzige Herausforderung, vor der gerade deutsche 'Konti-Rennställe' stehen. Es fehlen hochwertige Rennen im eigenen Land, es fehlt internationale Herausforderung bei den wenig verbliebenen Events und es fehlt auch an Nachwuchs. Sind klassische Kontinental-Mannschaften gerade in Deutschland daher vom Aussterben bedroht? Und welche Lösungen könnte es geben? Diesen Fragen geht radsport-news.com zu Weihnachten in einem Mehrteiler nach:
Während es in Deutschland an UCI-Rennen mangelt, gibt es mit der Bundesliga eine zuletzt neun Rennen umfassende Serie aus Events ohne UCI-Kategorie und große internationale Konkurrenz. Immerhin: Wenigstens untereinander können sich die einheimischen Teams hier messen. Allerdings hat die Reputation der Rennserie in den letzten Jahren arg gelitten.
Drei der letzten vier Gesamtsieger haben ihre Karriere mittlerweile beendet, ohne einen Profivertrag bekommen zu haben – nur 2022-Sieger Jon Knolle fährt noch für das Team Vorarlberg auf KT-Niveau. Mit dem 25-jährigen Johannes Adamietz schaffte nach der Saison 2022 zumindest der Gesamtdritte der Rennserie den Sprung zu den Profis, er unterschrieb bei Lotto - Dstny. Die Belgier wurden aber eher durch die guten Leistungen bei der Straßen-DM, der Deutschland Tour sowie der Sibiu Tour auf den Ulmer aufmerksam. Die Leistungen in der Rad-Bundesliga ergänzten höchstens das positive Bild, das der Kletterer auf größerer Bühne abgab.
2022 im Bergtrikot bei der Deutschland Tour, 2023 Bundesliga-Gesamtsieger und 2024 Karriereende: Einen Profi-Vertrag gab es für Jakob Geßner (Lotto - Kern Haus) nicht. | Foto: Cor Vos
Sicher: Dass es vor zehn oder 15 Jahren für einen Bundesliga-Sieger wie etwa Linus Gerdemann einfacher war, einen Profivertrag zu bekommen, dürfte nicht nur am damals vermeintlich höheren Stellenwert der Bundesliga gelegen haben, sondern vielmehr auch am größeren Kalender an UCI-Rennen in Deutschland. Und es war sicherlich auch kein Nachteil, dass es damals statt einem gleich drei oder gar vier Profi-Teams in Deutschland gab, so dass auch dort mehr Platz für deutsche Talente war.
Dennoch scheint klar, dass ein Bundesliga-Gesamtsieg vor einigen Jahren noch einen höheren Stellenwert genoss, weil das Leistungsniveau und die -dichte höher waren. War früher die Bundesliga als Rennserie für die U23-Fahrer Deutschlands gedacht, musste sie wegen sinkender Starterzahlen auch für ältere geöffnet werden. Um wirklich attraktiver zu werden, das wird immer wieder diskutiert, bräuchte es aber wohl auch eine weitreichende Öffnung in Richtung Internationalität.
BDR-Vizepräsident Günter Schabel will Amateur-Teams nicht ausschließen. | Foto: Cor Vos
Dabei sitzt der Verband aber in einer Zwickmühle: BDR-Vizepräsident Günter Schabel erklärte gegenüber radsport-news.com, dass man aus mehreren Gründen nicht zu sehr auf internationale Teams setze. Zum einen gebe es eine UCI-Regel, die bei nationalen Rennen die Teilnahme internationaler Mannschaften beschränkt. "Außerdem wollen wir nicht ein Amateur-Team, das schon seit Jahren an der Rennserie teilnimmt, ausschließen, nur damit dafür dann ein ausländisches KT-Team melden kann, das am Ende nur ein oder zwei Rennen bestreitet, weil es ansonsten bei UCI-Rennen fährt", so Schabel.
Geärgert hat sich der BDR-Vizepräsident, dass die ursprünglich gemeldeten Elite-Teams aus Luxemburg und den Niederlanden 2023 ihre Teilnahme kurzfristig zurückzogen oder nur mit Einzelfahrern anreisten. Mit einer Internationalisierung hat man bisher also nicht die besten Erfahrungen gemacht.
Wichtig wäre deshalb, nur Teams zu berücksichtigen, die auch einen Bezug zur Rennserie haben. Wie etwa das Team Vorarlberg aus Österreich, das den Ex-Sieger Jon Knolle und drei weitere Deutsche im Kader hat. Gespräche über einen Start von Vorarlberg in der Rad-Bundesliga soll es bereits gegeben haben.
Jon Knolle und Pirmin Benz fahren für das Team Vorarlberg, das 2024 vermehrt auch in der Bundesliga zu sehen sein könnte - nicht nur, wie hier, bei der DM. | Foto: Cor Vos
In Österreich ist es in der Radliga möglich, dass UCI-Rennen in sie aufgenommen werden. So ist der GP Vorarlberg (1.2) ein Teil der Rennserie, früher war es der GP Judendorf (1.2). In Deutschland hat kein Bundesliga-Rennen UCI-Status, auch wenn gerade Rennen wie die Sauerlandrundfahrt, die Erzgebirgsrundfahrt oder Rund um Sebnitz auch von Seiten der Organisation her das Potential und auch das Interesse hätten, einen UCI-Status zu erlangen.
Die Bedenken des Bundes Deutscher Radfahrer liegen auf der Hand: Durch eine Internationalisierung mit UCI-Status für die Rennen müssten einige Elite-Teams ohne KT-Lizenz weichen. Laut UCI-Regularien müssen bei UCI-Rennen der Kategorie 1.2 mindestens fünf Plätze an ausländische Teams gehen und das Feld wäre auf 175 Fahrer beschränkt. Im letzten Jahr aber waren 26 Mannschaften für die Bundesliga gemeldet. Und: Bei UCI-Rennen könnten auch keine Einzelstarter mitwirken.
"Das alles können wir in der Bundesliga nicht machen. Es gibt eine Gesamtwertung, so dass alle gemeldeten Teams die Möglichkeit haben sollen, alle Rennen der Serie zu bestreiten", stellte Schabel klar. Dem BDR aber gehe es eben auch um den Amateur-Radsport.
Das steht allerdings im Widerspruch zu den Ambitionen der KT-Teams, da deren Nachwuchs nur dann gefördert werden kann, wenn er sich regelmäßig starker Konkurrenz gegenüber sieht. "Wenn eine Rennserie Bundesliga heißt, sollten tatsächlich auch nur die besten Fahrer kommen", meinte Scherf, der deshalb für eine Begrenzung der teilnehmenden Teams plädiert.
Jörg Scherf - Mitorganisator der Sauerland-Rundfahrt und einer der Teamchefs beim Team Saris - Rouvy - Sauerland, das 2024 Rembe Pro Cycling Team Sauerland heißen wird. | Foto: Cor Vos
Generell würde sich der BDR nicht komplett querstellen, Rennen mit einem UCI-Status in die Rennserie aufzunehmen, betonte etwa Scherf, der auch die beiden Bundesligarennen im Sauerland mitorganisiert. "Wir haben aktuell immer wieder konstruktive Gespräche mit Günter Schabel, aber noch keine richtige Lösung gefunden", erklärte er und gab zu, in diesem Jahr mit der Anmeldung eines UCI-Rennens "etwas spät dran gewesen" zu sein.
Perspektivisch, so die Vision, könnte es wegen vieler interessierter Städte im Sauerland dort auch eine UCI-Rundfahrt und zusätzlich noch Bundesligarennen in der Region geben. Dies wäre auch das Wunschszenario von Schabel. "Wir würden uns natürlich über mehr UCI-Rennen in Deutschland freuen, gleichzeitig wüsste ich aber nicht, ob wir dann etwa die Sauerlandrundfahrt noch in der Bundesliga halten könnten, wenn sie UCI-Status hätte. Das Beste wäre natürlich, wenn es UCI-Rennen und Bundesligarennen getrennt geben würde."
Schabel gab zudem zu bedenken: Ein UCI-Status würde für einen Rennorganisator deutlich mehr Geld kosten, als das reine Ausrichten eines Bundesligarennens. Dazu könnten auch Fördergelder von Seiten des BDR für die Rennen verloren gehen. "Dafür würden sich die Rennen aber auch besser vermarkten lassen", entgegnete Scherf.
Die mediale Präsenz der Rad-Bundesliga auszuweiten, wäre generell sehr wichtig. Sprich: Bewegtbilder müssen her. Die Rennen finden praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. radsport-news.com berichtet seit Jahren ausführlich in Textform über die Rennserie und bot dem BDR und seinen Sponsoren schon vor acht Jahren an, eine Video-Berichterstattung auf die Beine zu stellen – zwar nicht live, aber mit Interviews und Highlights. Auf Interesse, das finanziell zu unterstützen, stieß man damals nicht.
Ab durchs Wohngebiet: Das Bundesliga-Peloton. | Foto: Privat
Gerade heutzutage müsste es von den Rennen auch Livestreams geben, um so nicht nur die Zuschauer vor Ort anzusprechen. Auch der Ergebnisdienst müsste sich verbessern. Teilweise steht am Tag nach Rennende noch nicht fest, wer etwa Gesamtführender ist, weil man das in Teilen komplizierte Auswertungssystem nicht immer im Griff hat. So können die Teams zeitnah nach den Rennen etwa keine verlässlichen Pressemitteilungen verfassen.
Schabel führte an, dass man bereits einen Testlauf mit Bewegtbildern in Form von Zusammenfassungen beim Nürburgring 2022 gemacht und dafür auch Geld in die Hand genommen habe. Das Video mit Highlights des Rennens, Siegerehrung und Interviews ging am Morgen nach dem Rennen online, fand aber kaum Beachtung. Feedback von Seiten der Teams hätte es auch nicht gegeben, so mancher Sportliche Leiter hätte erst Wochen später das Video gesehen. Die Kosten hätten aber im fünfstelligen Bereich gelegen. "Es gab einfach wenig Resonanz. Für 5.000 Zuschauer solch einen Aufwand zu betreiben, steht einfach in keinem Verhältnis", so Schabel.
Doch zurück zur Internationalisierung: "Die Frage ist dann natürlich auch: Gewinnt ein ausländischer Fahrer eines ausländischen Teams die Rad-Bundesliga, würden dann noch Fördergelder in die Rennserie fließen, da mit dieser ja eigentlich die deutschen Talente gefördert werden sollten?", stellte Schabel eine offene Frage in den Raum.
Eine Antwort darauf könnte sein: Nur weil ein Ausländer gewinnt, heißt das ja nicht, dass der zweit- oder drittplatzierte Deutsche durch diese 'Niederlage' nicht mehr gefördert würde, als durch einen Sieg gegen schwächere Konkurrenz. Einige deutsche Kontinental-Teams haben ihre Konsequenz längst gezogen und starten daher in der Bundesliga gar nicht mehr: Bike Aid schickt nur das eigene Nachwuchs-Team an den Start, die Maloja Pushbikers und Santic – Wibatech verzichteten zuletzt ganz auf eine Meldung für die Serie, da sie lieber parallel hochwertige UCI-Rennen in anderen Ländern zum Teil gegen WorldTour-Konkurrenz fahren.
Das Team Santic - Wibatech bei Rund um Köln 2023. In der Bundesliga startete die Mannschaft zuletzt nicht - ebenso wie die Maloja Pushbikers. | Foto: Cor Vos
Diese Teams setzen aber auch auf ausländische Fahrer, die der U23 entwachsen sind. Bei einem Bundesliga-Rennen dürften pro Team aber aktuell nur zwei ausländische Fahrer am Start stehen – und mindestens drei der Fahrer müssen der U23-Kategorie angehören. Das passt nicht zum Portfolio dieser Mannschaften, die deshalb in der Vergangenheit lediglich Einzelstarter zu den Rennen schickten. Das war für Fahrer über 23 Jahren ab der Saison 2023 aber nicht mehr erlaubt und so fehlte etwa bei der Erzgebirgsrundfahrt der Vorjahreszweite Patrick Reißig.
Die Bedenken des BDR: Die Einzelstarter könnten sich die Rosinen im Bundesliga-Rennkalender rauspicken, während andere Mannschaften bei allen Rennen am Start stehen müssten. Da aber unter dieser Maßnahme auch die Teilnehmerzahlen bei den Rennen gelitten haben, prüft der BDR gerade, diese Regel wieder rückgängig zu machen. Eine Umsetzung schon zur kommenden Saison ist sehr wahrscheinlich, so dass die Rennserie etwa auch für Santic - Wibatech interessant werden könnte. Gespräche über eine Meldung des Teams laufen bereits.
Das Geschehen der vergangenen Jahre führe dazu, dass "die Leistungsdichte nicht mehr gegeben ist. Die Rennserie wird gerade einmal über eine Handvoll Fahrer entschieden", kritisierte auch der Bundesliga-Gesamtsieger von 2023, Jakob Geßner, den fehlenden sportlichen Wert der Rennserie, die eigentlich so viel Potential hergibt. Geßner kann nachvollziehen, dass der BDR auch die Amateur- und reinen Bundesligateams fördern will und so einen breiten Spagat gehen muss, um auch den Ambitionen der führenden KT-Teams gerecht werden zu können.
"Aber die KT-Teams müssen im Moment so viel einstecken, so dass die Gefahr einfach besteht, dass sie perspektivisch wegbrechen, weil sie gegen die Devo-Teams sonst keine Chance haben", plädierte er dafür, die Belange der KT-Teams mehr in den Fokus zu nehmen.
Kapitel 1 - Ungleicher Konkurrenzkampf: Konti- vs. Devo-Teams
Kapitel 2 - Kreative Lösungen bei der Kaderplanung
Kapitel 3 - Mangel an Rennen in der Heimat
Kapitel 4 - Bundesliga: Die Frage nach Ausrichtung und Stellenwert
Kapitel 5 - Fazit: Wohin geht es für die KT-Teams?
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